Wenn bestimmte menschliche Verhaltensweisen als Anzeichen von Leid gedeutet werden, dann geben diese Verhaltensweisen gemäß evolutionärer Logik auch Aufschluss über das Leid nichtmenschlicher Tiere. So lässt sich zum Beispiel das Leid von nichtmenschlichen Tieren an deren Schreien und Wimmern oder dem Schonen verletzter Körperteile erkennen. Unübliche Körperhaltungen, die diese über einen längeren Zeitraum einnehmen, sowie ungewöhnliche Verhaltensweisen deuten auf Verletzungen oder chronische Schmerzen hin.
In manchen Situationen ist jedoch nicht klar, wie das Verhalten nichtmenschlicher Tiere interpretiert werden soll. Des Weiteren verbergen (nichtmenschliche) Tiere gelegentlich auch ihre Empfindungen. Herbivore wurden im Lauf ihrer Entwicklungsgeschichte häufig von Raubtieren bedroht, deren Erfolg davon abhing, kranke und schwache Tiere aufzuspüren. Individuen, die ihr Leiden nicht verbargen, wurden daher häufiger Opfer von Raubtieren als jene, die Leidens- und Schmerzzustände gut verborgen haben. Aus diesem Grund entwickelten herbivore Tiere evolutionsbedingt die Eigenheit, ihr Leid vor anderen zu verstecken. Es gibt also durchaus Individuen, die große Qualen fühlen und dennoch dem äußeren Anschein nach kein Leid empfinden. Wenn also festgestellt werden soll, ob ein (nichtmenschliches) Tier tatsächlich Leid empfindet, müssen auch andere Anzeichen wie etwa der gesundheitliche Zustand von (nichtmenschlichen) Tieren berücksichtigt werden.
Darüber hinaus lässt sich das Leid oder Wohlbefinden von nichtmenschlichen Tieren deutlich aus dem jeweiligen Kontext ableiten. Wenn ein Individuum beispielsweise Verbrennungen oder andere Verletzungen erleidet, ist offensichtlich, dass dieses unter normalen Umständen leidet, da wir wissen, dass Verletzungen Schmerzen verursachen. In diesem Beispiel ist deutlich erkennbar, wie sich einer bestimmten Situation diejenigen Informationen entnehmen lassen, mit denen das Leid von nichtmenschlichen Tieren festgestellt werden kann. Nicht immer sind Situationen jedoch so eindeutig interpretierbar. So gibt es z.B. Umstände, die sich zwar negativ auf das Wohlbefinden bestimmter (nichtmenschlicher) Tiere auswirken, jedoch nicht unmittelbar als schädlich beurteilt werden. Erst durch Beobachtungen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, werden die negativen Folgen dieser Situationen in der Gegenwart sichtbar. Sobald die schädlichen Folgen einer Situation hinreichend nachgewiesen sind, ist eine Untersuchung des Einzelfalls nicht mehr notwendig, um festzustellen, dass ((auch) nichtmenschliche Tiere in einer solchen Situation Schaden nehmen.
Weitere mögliche Indikatoren dafür, dass nichtmenschliche Tiere leiden bzw. Schmerzen empfinden, sind physiologische Anzeichen wie Zittern, Schwitzen, geweitete Pupillen, ein beschleunigter Herzschlag, eine schnelle Atmung sowie Atemprobleme. Eine umfassende medizinische Untersuchung kann darüber hinaus weitere Anzeichen erkennbar werden lassen (auch wenn ein solches Vorgehen in der Regel kaum möglich ist).
Die Animal Welfare Research Group der Universität Edinburgh stellt auf ihrer Website viele Materialien zur Verfügung, die Hinweise zum Erkennen von Leid von nichtmenschlichen Tieren enthalten:
Guidelines on the Recognition and Assessment of Pain in Animals
Auch das Animal Welfare Information Center des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten stellt auf seiner Website zahlreiche Literaturhinweise zu diesem Thema zur Verfügung:
A Reference Source for the Recognition & Alleviation of Pain & Distress in Animals
USDA Farm Animals – Pain and Distress
International Veterinary Academy of Pain Management
Recognizing Pain in Animals, Institute for Laboratory Animal Research
Die hier aufgelisteten Links führen zwar prinzipiell zu guten Informationsquellen; man sollte bei der Lektüre dieser aber im Hinterkopf behalten, dass im Mittelpunkt dieser Ausführungen die Interessen von Menschen stehen, und nichtmenschliche Tiere nur im Rahmen ihres Benutzt-Werdens für menschliche Interessen betrachtet werden.
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