Auf Rechten basierende ethische Ansätze: verschiedene Ausformungen

Auf Rechten basierende ethische Ansätze: verschiedene Ausformungen

Rechte schützen die Interessen von Menschen und ermöglichen es Personen unter bestimmten Umständen, ohne äußere Einflussnahme handeln zu können, Zugang zu einem bestimmten Gut zu haben, von anderen nicht verletzt zu werden oder von anderen Unterstützung zu erhalten (vgl. hierzu den Artikel Auf Rechten basierende ethische Ansätze: Die generelle Position). Auf Rechten basierende ethische Ansätze befassen sich mit der Frage, welche unterschiedlichen Formen von Rechten wem warum zustehen bzw. zustehen sollten.

Auf Rechten basierende ethische Ansätze können sich entweder auf moralische oder juristische Rechte beziehen. Unter „moralischen Rechten“ werden Rechte verstanden, mit denen Individuen geboren werden, wobei es keine Rolle spielt, ob sie auch von juristischen Rechten geschützt werden. Einige Vertreter*innen von auf Rechten basierenden ethischen Ansätzen glauben nicht, dass es so etwas wie moralische Rechte gibt, sondern argumentieren für juristische Rechte für nichtmenschliche Tiere als eine Art und Weise, deren Interessen zu schützen. Die Philosoph*innen, die im Folgenden diskutiert werden, vertreten ethische Theorien, die auf moralischen Rechten basieren.

Es gibt viele unterschiedliche Formen von auf Rechten basierenden ethischen Ansätzen, von denen jede einen eigenen theoretischen Unterbau besitzt und eigene Argumente vorbringt, um zu zeigen, dass Menschen, und manchmal auch nichtmenschliche Tiere, Rechte besitzen. Dem einflussreichen Moralphilosophen Immanuel Kant zufolge sollten wir nur nach derjenigen Maxime handeln, von der wir wollen, dass sie zum allgemeinen Gesetz wird. Anders ausgedrückt: Es ist nur dann richtig, etwas zu tun, wenn wir auch wollen würden, dass alle anderen dasselbe tun. Hierzu zählt laut Kant auch, Menschen nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern als Zweck an sich zu behandeln.1

In jüngster Zeit haben Philosoph*innen wie Christine Korsgaard2 und Julian Franklin3 Kants Position verteidigt, jedoch seine Schlussfolgerung zurückgewiesen, dass ein solcher Ansatz nur auf Menschen angewendet werden kann. Nichtmenschliche Tiere, so Korsgaard und Franklin, sind fühlende Wesen, und wenn wir uns an ihrer Stelle befänden, dann wäre es für uns nicht akzeptabel, wenn jemand unsere Interessen so missachten würde, wie die Interessen von nichtmenschlichen Tieren missachtet werden. Aus diesem Grund sollten Korsgaard und Franklin zufolge nicht nur Menschen, sondern alle empfindungsfähigen Tiere als Zweck an sich betrachtet werden.

Einige zeitgenössische Philosoph*innen haben Theorien entwickelt, die auf Kants Ansatz beruhen, wobei versucht wurde, einige Probleme, die eine solche Sichtweise mit sich bringt, zu umgehen. Alan Gewirth argumentiert etwa, dass alle Handelnden – und zwar eben deshalb, weil sie handeln – davon ausgehen, das Recht zu handeln zu haben, sowie über andere zum Handeln notwendige Rechte zu verfügen (wie etwa Rechte, die zum Überleben notwendig sind4). Wenn wir uns also konsequent an diesem ethischen Grundsatz orientieren, so Gewirth, sollten wir auch die Rechte der anderen respektieren. Dieser Argumentation folgt auch Evelyn Pluhar, die die Auffassung vertritt, dass ein solcher Ansatz auf alle fühlenden Wesen angewendet werden sollte, da diese dieselben Interessen und Bedürfnisse wie wir als Handelnde haben und auch haben müssen, um von Rechten geschützt zu werden.5

Tom Regan, ein bekannter Verfechter einer auf Rechten für nichtmenschliche Tiere basierenden ethischen Theorie, vertritt eine andere Meinung. Er ist der Ansicht, dass es mehrere Gründe gibt, weshalb zumindest die meisten nichtmenschlichen Tiere moralische Rechte besitzen. Betrachtet man jeden dieser Gründe unabhängig voneinander, dann wäre der daraus folgende Schluss vielleicht nicht unbedingt zwingend; werden aber alle Argumente zusammen berücksichtigt, so ergibt sich eine Reihe von ineinandergreifenden Argumenten, die diese Behauptung eindeutig implizieren.6 Regan glaubt, dass wir diejenigen Theorien als unzureichend ablehnen sollten, die direkte Verpflichtungen gegenüber nichtmenschlichen Tieren zurückweisen, moralische Rechte nicht anerkennen und respektieren oder aber behaupten, dass nur Menschen einen inhärenten Wert besäßen. Regan wendet hierbei das „Subjekt-eines-Lebens“-Kriterium an, das nur dann erfüllt wird, wenn Lebewesen über ein Bewusstsein und über ein bestimmtes Maß an kognitiven Fähigkeiten verfügen. Jedes Lebewesen, das „Subjekt eines Lebens“ ist, besitzt Regan zufolge einen inhärenten Wert. Hierzu zählen nicht nur Menschen, sondern alle Säugetiere und viele weitere nichtmenschliche Tiere.

Auch Gary Francione plädiert dafür, nichtmenschlichen Tieren Rechte zuzugestehen. Francione geht davon aus, dass nichtmenschliche Tiere dieselben gesetzlichen Rechte wie wir – und hierzu zählt seiner Meinung nach vor allem das Grundrecht, nicht von anderen als Ressource verwendet zu werden – haben sollten. Dabei beschränkt er sich allerdings nicht nur auf juristische Rechte und vertritt die Ansicht, dass nichtmenschliche Tiere auch moralische Rechte haben. Francione argumentiert, dass alle empfindungsfähigen Tiere – und zwar eben deshalb, weil sie empfindungsfähig sind – moralische Grundrechte besitzen.7

Neben den hier vorgestellten Philosoph*innen gibt es auch andere, die argumentieren, dass nichtmenschliche Tiere über Rechte verfügen sollten, da dies aus der konsequenten und unvoreingenommenen Anwendung von Vertragstheorien hervorgehe.8 (Dieser Ansatz wird im Artikel Vertragstheorien).


Weiterführende Literatur

Francione, G. L. (1995) Animals, property and the Law, Philadelphia: Temple University Press.

Francione, G. L. (2003) „Animal rights theory and utilitarianism: Relative normative guidance“, Between the Species, 13 (3) [aufgerufen am 14. April 2013].

Francione, G. L. (2008) Animals as persons: Essays on the abolition of animal exploitation, New York: Columbia University Press.

Francione, G. L. (2010) „Animal welfare and the moral value of nonhuman animals“, Law, Culture and the Humanities, 6, pp. 24-36.

Gewirth, A. (1982) Human rights, Chicago: Chicago University Press.

Gewirth, A. (1996) The community of rights, Chicago: Chicago University Press.

Pluhar, E. (1981) „Must an opponent of animal rights also be an opponent of human rights?“, Inquiry, 24, pp. 229-251.

Rainbolt, G. W. (2006) The concept of rights, Dordrecht: Springer.

Rawls, J. (2013 [1971]) Eine Theorie der Gerechtigkeit, 3., bearb. Auflage, Berlin: De Gruyter.

Regan, T. (1975) „The moral basis of vegetarianism“, Canadian Journal of Philosophy, 5, pp. 181-214.

Regan, T. (1976) „McCloskey on why animals cannot have rights“, Philosophical Quarterly, 26, pp. 251-257.

Regan, T. (1977) „Frey on interests and animal rights“, Philosophical Quarterly, 27, pp. 335-337.

Regan, T. (1978) „Fox’s critique of animal liberation“, Ethics, 88, pp. 126-133.

Regan, T. (1980) „Utilitarianism, vegetarianism & animal rights“, Philosophy & Public Affairs, 9, pp. 305-324.

Regan, T. (1987) The struggle for animal rights, Clarks Summit: International Society for Animal Rights.

Regan, T. (2001) Defending animal rights, Chicago: University of Illinois Press.

Regan, T. (2004) Empty cages: Facing the challenge of animal rights, Lanham: Rowman & Littlefield.

Regan, T. & Singer, P. (Hrsg.) (1989 [1976]) Animal rights and human obligations, 2nd ed., Englewood Cliffs: Prentice Hall.

Regan, T. & VanDeVeer, D. (Hrsg.) (1982) And justice for all, Totowa: Rowan and Littlefield.

Rollin, B. E. (2006 [1981]) Animal rights & human morality, 3rd ed., New York: Prometheus.

Rowlands, M. (2002) Animals like us, London: Verso.

Sumner, L. W. (1987) The moral foundations of rights, Oxford: Oxford University Press.


Fußnoten

1 Kant, I. (2007 [1785]) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 4:429. Vgl. etwa auch ibid., 6:442; (2003 [1788]) Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg: Meiner, 5:7; (1997) Lectures on ethics, Cambridge: Cambridge University Press.

2 Korsgaard, C. (2005) „Fellow creatures: Kantian ethics and our duties to animals“, The Tanner lectures on human values, 25/26, pp. 77-110; (1996) The sources of normativity, Cambridge: Cambridge University Press, pp. 152-153.

3 Franklin, J. H. (2005) Animal rights and moral philosophy, New York: Columbia University Press.

4 Gewirth, A. (1978) Reason and morality, Chicago: Chicago University Press.

5 Pluhar, E. (1995) Beyond prejudice: The moral significance of human and nonhuman animals, Durham: Duke University Press.

6 Regan, T. (2004 [1983]) The case for animal rights, 2nd ed., Berkeley: University of California Press.

7 Francione, G. L. (2000) Introduction to animal rights: Your child or the dog?, Philadelphia: Temple University Press.

8 Rowlands, M. (2009 [1998]) Animal rights: Moral, theory and practice, 2nd ed., New York: Palgrave Macmillan.