Gefahren durch und für freilaufende Katzen: Ein aktueller Bericht

Gefahren durch und für freilaufende Katzen: Ein aktueller Bericht

19 May 2016
The harm done by cats outdoors: a new report

Der Bericht Cats and wildlife von Kerstin und Stephan Voigt über das Projekt Wild Bird Aid auf der Isle of Man (Großbritannien) befasst sich mit dem freien Umherlaufen von Katzen und den daraus resultierenden Folgen.1

Viele Menschen denken, dass sie ihren Katzen etwas Gutes tun, wenn sie sie außerhalb der eigenen vier Wände frei umherlaufen lassen. Leider belegen Daten jedoch, dass dies sowohl für die Katzen als auch für andere Tiere sehr gefährlich oder sogar tödlich enden kann. Selbst Katzen, die ausreichend gefüttert werden, können bei freiem Auslauf Tausende von Tieren töten. Doch nicht nur die gejagten Tiere werden verletzt – auch freilaufende Katzen selbst laufen Gefahr, sich mit schweren Krankheiten wie Leukämie oder dem Felinen Immundefizienz-Virus (FIV) anzustecken. Darüber hinaus sterben viele Katzen, weil sie im Straßenverkehr angefahren werden.

In dem Bericht Cats and wildlife werden Literatur und Studien über Katzen und ihren Einfluss auf andere Tiere betrachtet. Der geographische Fokus liegt dabei auf den USA und Großbritannien, doch es wird auch über die Situation in Australien und Kanada berichtet.

Im Rahmen ihres Projekts Wild Bird Aid, das früher unter dem Namen Wight Nature Wildlife Rescue and Rehabilitation lief, haben die Voigts Hunderte von Vögeln und anderen Tieren gerettet und behandelt, nachdem diese von Katzen angegriffen und verletzt worden waren. So haben die beiden Autoren hautnah miterlebt, welche Konsequenzen das freie Umherlaufen von Katzen haben kann.

Gefahren für freilaufende Katzen und ihre Beutetiere

Selbst in ländlichen Gebieten besteht für umherstreunende Katzen ein hohes Risiko, von einem Auto angefahren zu werden. Allein in den USA beläuft sich die Zahl der auf diese Weise getöteten Katzen auf schätzungsweise 26 Millionen.2

cats-wildlife-reportAuch wenn ein solcher Unfall nicht tödlich endet, bleiben die Katzen mit Verletzungen und Verstümmelungen zurück. Weitere Gefahren für freilaufende Katzen sind zum Beispiel ansteckende Krankheiten und der Missbrauch durch Menschen.

Doch diejenigen, die am meisten unter dem freien Umherlaufen von Katzen leiden, sind die von ihnen gejagten Tiere. Schätzungen zufolge werden in den USA jährlich zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und 6,9 bis 20,7 Milliarden Säugetiere von Katzen getötet.3

In Großbritannien werden jährlich schätzungsweise 55 Millionen Vögel von Hauskatzen getötet – freilebende Katzen nicht miteingeschlossen. Rechnet man andere Tiere wie kleine Säuger und Echsen ein, ist die Zahl der getöteten Tiere noch viel höher. Verwilderte Katzen töten dreimal so viele Tiere wie ihre von Menschen versorgten Artgenossen, doch auch diesen allein fallen in den USA jährlich Milliarden von Tieren zum Opfer.

Dabei ist der Tod der gejagten Tiere oft mit großen Schmerzen verbunden. Wenn es schnell geht, stürzen sich die Katzen auf ihre Beute und machen sie dadurch bewegungsunfähig. Daraufhin beißen sie in den Hals oder das Genick ihrer Beute, sodass diese erstickt, ihr Rückenmark durchtrennt oder die Halsschlagader bzw. Halsvene verletzt wird und das Tier verblutet.

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Paolo, ein Stieglitz, der von einer Katze angegriffen wurde, in Wild Bird Aid

Hauskatzen, die ausreichend gefüttert werden, töten jedoch meistens nicht auf die schnelle Weise, sondern lassen ihre Beute länger leiden. Man geht davon aus, dass sie den Prozess hinauszögern, um länger mit ihrer Beute spielen zu können.4

Katzen werden auch als „vom Menschen geschaffene Todesursache für Vögel und Säugetiere“ bezeichnet.”5 Ganze 33 Vogelarten sollen wegen ihnen weltweit ausgestorben sein.6 Diese Statistik ist hilfreich, um zu verdeutlichen, wieviele Tode durch jagende Katzen verursacht werden, doch viel wichtiger als der Erhalt von Arten sind die getöteten Individuen. Dazu gehört jedes Küken, dessen Mutter auf der Suche nach Futter von einer Katze getötet wurde und das in der Folge verhungert. Jede Echse, jede Amphibie, jedes Nagetier, jeder Fisch und jedes Insekt sollten beschützt werden, wenn irgend möglich. Genau wie Menschen oder Haustiere, wollen auch sie nicht leiden.

Katzen tragen nicht die Verantwortung für ihre Handlungen und die verantwortlichen Menschen meinen es gut, sind aber oft nicht ausreichend informiert

Selbstverständlich liegt die Schuld nicht bei den Katzen. Tatsächlich hat der Auslauf für sie selbst oft negative Folgen, wenn sie von Autos angefahren oder von tödlichen Krankheiten befallen werden.

Die meisten Katzenhalter und –halterinnen sorgen sich um das Wohl von Tieren im Allgemeinen. Sie meinen es gut und wollen dafür sorgen, dass ihre Katzen ein glückliches Leben führen, indem sie sie nach draußen lassen. Oft ist ihnen gar nicht bewusst, welchen Schaden ihre Haustiere bei anderen Tieren anrichten können. Zwar merken sie, dass Katzen hin und wieder gerne andere Tiere jagen, doch sie sind sich über die weitreichenden Konsequenzen nicht im Klaren.

Das liegt zum einen daran, dass die meisten Katzenbesitzer und –besitzerinnen die gejagten Tiere gar nicht sehen. Manchmal bringen Katzen zwar ihre Beute mit nach Hause, doch Forschungen ergaben, dass diese nur einen kleinen Teil der insgesamt getöteten Tiere ausmacht. Manche der gefangenen Tiere sind noch am Leben und können wieder freigelassen werden, überleben dann jedoch nur selten. Meist sterben sie an ihren Verletzungen oder einer bakteriellen Infektion ihrer Bisswunden.

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Bisher gibt es für TierschützerInnen und die allgemeine Öffentlichkeit nur wenige Informationsmöglichkeiten zu diesem Thema. Vor diesem Hintergrund sind Berichte wie Cats and wildlife besonders wertvoll.

Während Katzen keine Wahl haben, ob sie nach draußen können oder nicht, liegt die Entscheidung bei uns Menschen. Das Leiden und Sterben von Millionen von Katzen und einer noch viel größeren Anzahl Beutetiere könnte verhindert werden. Die Zahl der betroffenen Tiere ließe sich um ein Vielfaches reduzieren, wenn Menschen dafür sorgen würden, dass ihre Katzen innerhalb der eigenen vier Wänden bleiben, und sogenannte Trap-Neuter-Return-Programme (TNR-Programme) für verwilderte Katzen ausgeweitet würden.7 Denn Katzen können auch in geschlossenen Räumen sehr glücklich und sicher leben, besonders wenn sie mit Artgenossen zusammenleben.

Es gibt Möglichkeiten, das eigene Zuhause zu einem geeigneten Lebensraum für Katzen zu machen, sodass diese nicht nach draußen gehen müssen, um sich zu vergnügen.8 Junge Katzen, die im Haus aufwachsen, sind für gewöhnlich sehr zufrieden. Wer über einen Garten oder eine Terrasse verfügt, kann auch eine Art Außengehege anlegen. Oft genügt schon ein Kratzbaum in Fensternähe. Wenn Katzen doch nach draußen dürfen, sollte sichergestellt werden, dass es in dem Außenbereich keine Öffnungen gibt und die Katze den Bereich nicht verlassen kann. Außerdem sollte man stets ein Auge auf die Katze haben, damit sie keinen anderen Tieren wie zum Beispiel Vögeln schaden kann. Auch eine Katzenleine könnte in Frage kommen.

Wicat-mousee Katzen sicher und glücklich im Haus leben können

Der natürliche Jagdinstinkt einer Katze kann auch durch Spiele und Spielzeug befriedigt werden. Verwenden Sie verschiedene Spielzeuge,
die sich zum Heranpirschen, Fangen und Herumtollen eignen. Wenn die Katzen alleine zuhause sind, sollten die Spielzeuge immer zur Verfügung stehen und zwischendurch ausgewechselt werden, damit sie immer neu und aufregend erscheinen. Auch Pflanzen sollten vorhanden sein, an denen die Katzen wie in der Natur kauen können.

Die Veränderungen mögen am Anfang schwierig sein, doch wenn man sich bewusst macht, dass sie das Leiden und Sterben vieler Tiere verhindern, sind sie es auf jeden Fall wert.

Eine bessere Zukunft für alle Tiere

Kritische Stimmen führen an, die Jagd sei etwas „Natürliches“. Doch nur weil etwas natürlich ist, bedeutet das nicht, dass es auch gerechtfertigt oder notwendig ist. Wie bereits gezeigt wurde, gibt es viele Dinge, die wir als natürlich, aber gleichzeitig moralisch nicht vertretbar betrachten. Das Töten von Menschen und einigen bevorzugten Spezies abzulehnen und gleichzeitig das Töten anderer Spezies hinzunehmen, ist speziesistisch. Wer Katzen das Jagen erlaubt und damit ihr Wohl über das anderer Tiere stellt, diskriminiert diese. Anstatt an dem festzuhalten, was wir als natürlich hinnehmen, sollten wir an einer besseren Zukunft für alle empfindungsfähigen Tiere arbeiten.
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Dafür ist es von enormer Bedeutung, in diesem und verwandten Bereichen weiterhin Forschung zu betreiben, damit wir Wege finden, das Leid von Tieren zu beenden. Wir begrüßen deshalb diesen Bericht und können ihn nur weiterempfehlen. Außerdem möchten wir Kerstin und Stephan Voigt für ihre Bemühungen danken.


Weiterführende Literatur

1 Voigt, K. & Voigt, S. (2015) Cats and wildlife, Wight: Wild Bird Aid (former Wight Nature Wildlife Rescue and Rehabilitation) [aufgerufen am 15. Dezember 2015].

2 Bartlett, B. et al. (2012 [1993]) “Summary of past data”, Roadkill 2012 [aufgerufen am 29. Januar 2016].

3 Loss, S.; Will, T. & Marra, P. (2013) The impact of free-ranging domestic cats on wildlife of the United States”, Nature Communications, 4 [aufgerufen am 26. Januar 2016].

4 Perfect Paws (1995) “Predatory behavior of cats”, Perfect Paws [aufgerufen am 12. Januar 2016].

5 Loss, S.; Will, T. & Marra, P. (2013) The impact of free-ranging domestic cats on wildlife of the United States”, op. cit.

6 American Bird Conservatory (2012) “‘Kitty cam’ reveals high levels of wildlife being killed by outdoor cats”, Results, 8 August [aufgerufen am 6. Dezember 2015].

7 Alley Cat Allies (2016) “Why trap-neuter-return feral cats: The case for TNR”, Alley Cat Allies [aufgerufen am 12. Januar 2016].

8 The Humane Society of the United States (2016) “10 tips to keep your cat happy indoors”, The Humane Society of the United States [aufgerufen am 15. Februar 2016].